Aiman A. Mazyek schreibt einen
Artikel über Malaysia und ein Gerichtsurteil, das es den dortigen Christen wieder erlaubt, den Begriff „Allah“ für Gott zu verwenden und zitiert dabei zweimal aus dem Koran. Wenn jemand wie Mazyek aus dem Koran zitiert, ist das schon ein Grund, genauer hinzuschauen.
Mazyeks Text hebt mit folgenden Worten an:
Die Debatte in Malaysia zeigt erstaunliche Parallelen zu Deutschland: Christliche Fundis und Rechte wettern wie ihre ideologischen Vettern in Malaysia: Exklusivistisch, verletzend und aggressiv.
Der Leser ist verwirrt, denn durch diesen Auftakt mag der Eindruck entstehen, dass es in Malaysia wie auch in Deutschland die Christen seien, die exklusivistisch, verletzend und aggressiv vorgehen – gegen den Islam. Mazyek legt von Beginn an eine falsche Fährte, denn wenn der Vergleich zwischen Deutschland und Malaysia zutreffen sollte, hätte er darauf hinweisen müssen, dass hierzulande eben kein Gericht die Muslime zwingt, „Allah“ durch „Gott“ zu ersetzen. Ein raffinierter Trick, denn auf diese Weise gelingt es dem Verfasser, „christliche Fundis“ und „Rechte“ mit radikalislamischen Strömungen in Malaysia gleichzusetzen, die dort übrigens auch allen anderen Buch- und Naturreligionen das Leben schwer machen, ohne dass er diese überhaupt erwähnt. Das tut Mazyek aus einem ganz bestimmten Grund, auf den wir gleich zurückkommen werden.
Statt unmittelbar auf die Rolle des Islams im Konflikt einzugehen, nimmt Mazyek direkt Deutschland und Christentum ins Visier:
In Europa und speziell in Deutschland wird leider auch immer öfter und militanter aus christlich fundamentalistischen Kreisen und Gruppen versucht, Identität durch Abgrenzung zu den Muslimen zu erzeugen, und zwar ähnlich wie in Malaysia mit der Diskussion um Gott/Allah, nur in umgekehrter Stoßrichtung versteht sich.
Mit diesem aberwitzigen Konstrukt wird der Mehrheit unterstellt, sie definiere ihre Identität über Ausgrenzung der Minderheit statt über eigene Werte. Kein Wort über die Selbstausgrenzung des Islam, der im Falle Malaysias selbstherrlich und höchstrichterlich der christlichen Minderheit an der Identität flicken wollte.
Der ehemalige MdB und rechte Hardliner Martin Hohmann ist da ein beredtes Beispiel dafür. Er behauptete doch allen Ernstes, Allah wäre eine „altarabische Naturgottheit" und die Muslime glauben nicht an den Gott der Christen. Diese These finden sich heute in vielen einschlägig bekannten rechtsradikalen Internetforen und Publikationen als „Wissen“ über den Islam wieder.
Womit Hohmann wenigstens insofern im Recht ist, als Allah im alten Arabien sich den Himmel mit zahlreichen Göttern teilte und Söhne und Töchter zeugte. Einen Nachhall dieser Götterwelt vor Mohammed gibt sogar noch der Koran in manchen seiner Verse, stärker erhalten hat er sich im arabischen Volksglauben in Form von Dschinns, dämon- oder halbgottartigen Wesen.
Es gehört allgemein zum Fahrplan und Weg der Rechten, dass sie über diese Themen weiter versuchen, die Muslime in diesem Land zu marginalisieren.
Wogegen Mazyeks Kollegen aus den Islamverbänden ja mit Muslim-Quoten anzukämpfen gedenken.
Motiv und Motivation bei all diesen Geisterdebatten ist die Angst vor dem Fremden, dem Unbekannten. Der nächste Schritt ist dann nicht mehr weit: Gegenüber dem Fremden muss zur Verteidigung des eigenen Glaubens geschritten werden, denn er unterwandert diesen ja. Und schon befindet man sich in einer destruktiven Abwehrschlacht. In so einer Phase sagt übrigens der Koran zu den Muslimen: „Euch eure Religion und uns unsere Religion“ (Koran: Sura 109, Vers 6). Ich würde mir wünschen, wenn wir Muslime diese Gelassenheit öfter an den Tag legen.
Was nichts anderes bedeutet, als dass jegliche Kritik am Islam als „Angst“ zu verstehen ist, gegen die der Islam bzw. der Koran selbst die einzige Therapie ist. Schlagen wir daher den Koran auf und lesen nach, was in Sure 109 (Titel: „Die Ungläubigen“) steht:
1: Sag: O ihr Ungläubigen,
2: ich diene nicht dem, dem ihr dient,
3: und ihr dient nicht Dem, Dem ich diene.
4:Und ich werde (auch) nicht dem dienen, dem ihr gedient habt,
5: Und ihr werdet nicht Dem dienen, Dem ich diene.
6: Euch eure Religion und mir meine Religion.
Diese Übersetzung stammt von islam.de, Mazyeks eigener Homepage. Sie belegt nun zweifelsfrei, dass der christliche Gott und der islamische Allah ein und derselbe sind. D.h., für Mazyek, jedenfalls. Auch wenn der Kommentar zur Übersetzung von Ullmann und Winter präzisiert:
Offenbart wurde diese Sure, als einige Araber von [Mohammed] verlangten, er solle ein Jahr lang ihre Götter verehren, dann wollten sie ebensolang Allah verehren.
Dass nämlich malayische Muslime im Umgang mit Andersgläubigen sehr wenig Gelassenheit an den Tag legen, erwähnt Mazyek erst in diesem Moment ausdrücklich. Um dann sogleich den Bogen zurück nach Deutschland zu schlagen:
Die Rhetorik in den Foren dort kommt einem dennoch seltsam bekannt vor, wird sie doch jeden Tag in den eben zitierten, einschlägig bekannten rechtsradikalen Internetblogs gegen die Muslime verwendet.
Mazyek nennt vorsichtshalber keins der rechtsradikalen Internetblogs. Vermutlich weil er sie selbst nur vom Hörensagen kennt und der Rechtsradikalismus erst im Einzelfall nachgewiesen werden müsste, was allerdings ein Differenzierungsvermögen voraussetzt und somit nicht zweckdienlich sein dürfte.
Es folgt nun das Schlussplädoyer von angeblich verletzter Menschenwürde und Religionsfreiheit über den frommen Wunsch, dass wir alle unserem „Schöpfer“ dienen mögen. Dann der letzte Trumpf, ein weiteres Koranzitat, das angeblich zu Lessingscher Gelassenheit ermuntert, in Wahrheit aber zum Bumerang wird und Mazyeks gesamte Islamkritiker-Kritik zum Einsturz bringt:
Warum können wir nicht (allesamt Juden, Christen, Muslime) die Lessingsche Gelassenheit an den Tag legen, zu dem uns der Koran (Sure 5, Vers 48) ermuntert: „Und hätte Gott es gewollt, Er hätte euch – Juden, Christen und Muslime - zu einer einzigen Gemeinde gemacht. Doch wollt Er euch prüfen in dem, was Er jedem von euch gab. Wetteifert darum in den guten Taten.“
Ja, warum können „wir“ das eigentlich nicht? Lesen wir erneut die Koranübersetzung von islam.de:
43: Wie aber können sie dich richten lassen, während sie doch die Thora haben, in der das Urteil Allahs (enthalten) ist, und sich hierauf, nach alledem, abkehren? Diese sind doch keine Gläubigen.
44: Gewiß, Wir haben die Thora hinabgesandt, in der Rechtleitung und Licht sind, womit die Propheten, die sich (Allah) ergeben hatten, für diejenigen, die dem Judentum angehören, walten, und so auch die Leute des Herrn und die Gelehrten, nach dem, was ihnen von der Schrift Allahs anvertraut worden war und worüber sie Zeugen waren. So fürchtet nicht die Menschen, sondern fürchtet Mich. Und verkauft Meine Zeichen nicht für einen geringen Preis! Wer nicht nach dem waltet, was Allah (als Offenbarung) herabgesandt hat, das sind die Ungläubigen.
45: Und Wir haben ihnen darin vorgeschrieben: Leben um Leben, Auge um Auge, Nase um Nase, Ohr um Ohr, Zahn um Zahn; und (auch) für Verwundungen Wiedervergeltung. Wer es aber als Almosen erläßt, für den ist es eine Sühne. Wer nicht nach dem waltet, was Allah (als Offenbarung) herabgesandt hat, das sind die Ungerechten.
46: Und Wir ließen auf ihren Spuren ʿĪsā, den Sohn Maryams, folgen, das zu bestätigen, was von der Thora vor ihm (offenbart) war; und Wir gaben ihm das Evangelium, in dem Rechtleitung und Licht sind, und das zu bestätigen, was von der Thora vor ihm (offenbart) war, und als Rechtleitung und Ermahnung für die Gottesfürchtigen.
47: Und so sollen die Leute des Evangeliums nach dem walten, was Allah darin herabgesandt hat. Wer nicht nach dem waltet, was Allah (als Offenbarung) herabgesandt hat, das sind die Frevler.
48: Und Wir haben zu dir das Buch mit der Wahrheit hinabgesandt, das zu bestätigen, was von dem Buch vor ihm (offenbart) war, und als Wächter darüber. So richte zwischen ihnen nach dem, was Allah (als Offenbarung) herabgesandt hat, und folge nicht ihren Neigungen entgegen dem, was dir von der Wahrheit zugekommen ist. Für jeden von euch haben Wir ein Gesetz und einen deutlichen Weg festgelegt. Und wenn Allah wollte, hätte Er euch wahrlich zu einer einzigen Gemeinschaft gemacht. Aber (es ist so,) damit Er euch in dem, was Er euch gegeben hat, prüfe. So wetteifert nach den guten Dingen! Zu Allah wird euer aller Rückkehr sein, und dann wird Er euch kundtun, worüber ihr uneinig zu sein pflegtet.
49: Und so richte zwischen ihnen nach dem, was Allah (als Offenbarung) herabgesandt hat, und folge nicht ihren Neigungen, sondern sieh dich vor ihnen vor, daß sie dich nicht der Versuchung aussetzen (abzuweichen) von einem Teil dessen, was Allah zu dir (als Offenbarung) herabgesandt hat! Doch wenn sie sich abkehren, so wisse, daß Allah sie für einen Teil ihrer Sünden treffen will. Viele von den Menschen sind fürwahr Frevler.
50: Begehren sie etwa das Urteil der Unwissenheit? Wer kann denn besser walten als Allah für Leute, die (in ihrem Glauben) überzeugt sind?
51: O die ihr glaubt, nehmt nicht die Juden und die Christen zu Schutzherren! Sie sind einer des anderen Schutzherren. Und wer von euch sie zu Schutzherren nimmt, der gehört zu ihnen. Gewiß, Allah leitet das ungerechte Volk nicht recht.
Und worin besteht nun die Lessingsche Gelassenheit? Darin, dass es nach den Worten des Koran Mohammed-Allah ist, der die „Rechtleitung“ und „Offenbarung“ bringt, die jüdische und christliche Frevler verfälscht und verdrängt haben.
Darum brannten die Kirchen in Malaysia, darum die islamische Selbstausgrenzung, darum wird der Konflikt weiter schwelen, solange der Wortlaut des Koran aus dem 7. Jahrhundert nach Christus die Grundlage des muslimischen Lebens sein soll. Denn extremistische, gewaltbereite Muslime berufen sich offenbar auf genau denselben Koran wie die friedfertigen Muslime.
Mazyek geht es nicht darum, islamische Extremisten zu bekämpfen, sondern den Islam in frommer Dschihad-Tradition zu verbreiten. Wäre dem nicht so, würde er andere Aspekte in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen stellen.