Das Symposium dient der Erörterung aktueller und zukünftiger Strategien zur Dekonstruktion des verzerrten Islambilds in der Schweizer Öffentlichkeit. Unter dem Arbeitstitel: "Die Schweiz nach dem Minarettverbot - Wohin steuert die Islamdebatte?" referieren Nicolas Blancho (BE), Melanie Muhaxheri (AG), Muhammd Hakimi (ZH), Abdel Azziz Qaasim Illi (BE) und weitere. Nicht teilnehmen kann der deutsche Referent, Pierre Vogel, nachdem ihm der Auftritt von Seiten des Stiftungsrats des Zürcher Volkshauses versagt worden war.
Auch ohne den fundamentalistischen Wanderprediger Pierre Vogel, der auf Druck des Stiftungsrats des Volkshauses ausgeladen worden war, hatte die Veranstaltung wohl hohen Unterhaltungswert. Der
Tagesanzeiger schreibt:
Nicolas Blancho, Präsident des Zentralrates, zählte fast eine halbe Stunde lang Verbrechen auf, die sich in der sogenannt zivilisierten Welt ereigneten – Morde an Kindern und jungen Frauen, Amokläufe, Familiendramen – und am Ende behauptete er, das Christentum sei an allen Missständen Schuld. «Einverstanden?» fragte er sein Publikum. Erst war es ruhig, aber dann antworteten die Männer im Chor: «Nein». Blancho lächelte befriedigt: «Man kann euch also nicht so einfach radikalisieren.» Kein Muslim, kein Mensch, so sagte er, käme auf die Idee zu behaupten, das Christentum sei schuld an allen Missständen. Aber ebenso wenig sei es der Islam.
Niemand hat behauptet, dass "der Islam" schuld an allen Missständen sei. Es geht vielmehr darum, dass Leute wie Blancho den Ungläubigen eintrichtern wollen, dass der Islam an gar nichts schuld sei - und das wider jede Empirie. - Blanchos Taschenspielertrick ist leicht zu durchschauen. Wenn es um die Frage von Schuld und Motivation geht, gibt es "den Islam" nicht. Wenn es um Friede, Freude, Eierkuchen geht, dann gibt es ihn plötzlich doch. Ferner ist Blancho ein Meister des unpassenden Vergleichs. Es ist nicht bekannt, dass sich der Stifter der christlichen Religion in seiner Vorbildfunktion als Feldherr, Räuber und Mordanstifter hervortat, wie dies etwa von Mohammed überliefert ist. Amokläufe werden bei uns auch nicht mit Hinterbliebenenrenten von obskuren Terrorvereinigungen belohnt und von staatlichen Regime gelobt, und die Opfer von Familiendramen können sich in öffentlich geförderte Frauenhäuser zurückziehen, wobei der türkisch-muslimische Migrationshintergrund bei den Hilfesuchenden überproportional hoch ist.
Weiter im Tagesanzeiger:
Bis zum Abend zählten die Veranstalter 700 Besucher. Im Parterre sassen die Männer, viele mit Bärten und weisser Kappe, oben auf der Empore die Frauen – mit und ohne Kopftücher. Zwei Frauen trugen Ganzkörperverschleierung. «Die ordentliche, physische Trennung der Geschlechter ist garantiert», stand schon in der Einladung, und am Sonntag wurden Medienleute darauf hingewiesen, dass Journalistinnen überall zirkulieren dürfen, auch dort, wo Schilder vorschreiben «nur Männer». Journalisten hingegen dürfen sich nur im Parterre bewegen.
Ist es islamophob, darauf hinzuweisen, dass schon hier die Probleme beginnen? Für die Veranstalter des Symposiums ist es offenbar eine absolute Selbstverständlichkeit, dass mit der aus der Moschee bekannten Sitzordnung auch die islamische Geschlechterapartheid in den ganz profanen Alltag hineingetragen wird - wie hier in eine politische Veranstaltung.
Es waren vorwiegend versöhnliche Töne zu hören. Der Zürcher Imam Muhammad Hakimi forderte die Muslime auf, sie sollten den Dialog suchen, um Andersgläubigen die Schönheit und den versteckten Charme ihrer Religion zu zeigen. Er versuchte vor allem zu erklären: Weshalb die Schweiz Ja sagte zum Minaretverbot (etwa wegen der steigenden Ausländerfeindlichkeit, zu der auch unverantwortlich handelnde Ausländer beigetragen hätten). Weshalb sich manche Muslime einkapseln (aus Angst, dass die Mehrheit sie auslöscht). Und er erklärte die Rolle von Mann und Frau im Islam. Beide seien gleichberechtigt. Aber Allah habe die Verantwortung für die Familie dem Mann übertragen und so die Frau entlastet. Und: Ein Mann dürfe seine Frau nicht schlagen. Nur wenn keine Ermahnung mehr helfe, dürfe er sie im übertragenen Sinne schlagen: mit Worten.
Dass Ausländerfeindlichkeit und Islamkritik (oder, um im Duktus der politischen Korrektheit zu verbleiben: Islamophobie) zwei paar Stiefel sind, ignoriert der Imam. Und gibt es irgendwelche rationalen Beweggründe für die Angst der muslimischen Minderheit, dass die ungläubige Mehrheit sie "auslösche"? Irrationale Motive gibt es jedenfalls zuhauf, etwa die koranischen Aufforderungen an Muslime, keine Juden und Christen zu Freunden zu nehmen (Sure 5, Vers 51 usw.), was in der Auslegung heißt, dass Muslime keine Juden und Christen zu Freunden nehmen sollen (vgl. Rassoul, Brüderlichkeit im Islam). Und weil auch Imam Hakimi am Wortlaut des Koran hängt wie eine Klette, bleibt ihm nichts anderes übrig, als die abgrundtiefe Kluft zwischen dem Buch aus dem 7. Jahrhundert und dem modernen Verständnis von Menschenwürde und der Achtung des Individuums zu übertünchen, indem er behauptet, dass dort (Sure 4, Vers 34) nicht steht, was da steht. Was nicht ganz klappt.
Der Zentralrat will sich unter anderem für einen Fatwa-Rat einsetzen, der Muslime berät, wie sie in der Schweiz nach dem Islam leben können. Zudem möchten sie islamische Schulen und Moscheen schaffen. Den Juden würden auch eigene Schulen und Gebetsstätten zugestanden. «Aber wenn wir Muslime davon sprechen, dann heisst es sofort, wir schafften Parallelgesellschaften.»
Wobei die Juden schon etwas früher zugezogen sind als die Muslime. Wer jedoch innerhalb von 50 Jahren eigene Schulen, "Gebetsstätten" und Rechtsprechung errichten will, muss damit rechnen, dass er von der "Mehrheitsgesellschaft" weniger als Mitbürger, denn als Kolonialherr gesehen wird.
Symposien dieser Art dürften für erfreulichen Zulauf sorgen - im Lager der Minarettgegner und Islamkritiker.