Im Unterschied zum ebenfalls durch das ZDF produzierten Dreiteiler „Morgenland“, der ohne Umschweife zum Postulat des überlegenen islamischen Hoch-Kulturmenschen des Mittelalters kam, bedient sich der erste Teil der neuen Dokumentarreihe „Der Heilige Krieg“ (Di., 16.8., 20:15 Uhr) verfeinerter Manipulationstechniken. In erster Linie läuft es darauf hinaus, dass Muslime und Christen in ihrem Verhältnis zu Gewalt äquidistant seien. Soll dies, wie im Film, anhand der frühislamischen Expansion bis zur Abwehrschlacht von Tours und Poitiers im Jahre 732 veranschaulicht werden, müssen notwendigerweise alle Informationen verschwiegen werden, die dieser Darstellung widersprechen.
Auffällig ist zunächst, dass „Der Heilige Krieg“ wie zuvor schon „Morgenland“ peinlich genau das angebliche Bilderverbot des Islam einhält; eine Verkörperung des „Propheten“ Mohammed findet sich hier wie dort in keiner der Spielszenen. Jetzt aber erfüllt dieser Kunstgriff einen ganz praktischen Nutzen, nämlich den, zwischen der reinen Lehre Mohammeds und seinen Nachfolgern einen Keil zu treiben, so dass ersterer nicht durch die Taten letzterer in den Schmutz gezogen werden kann. Und genau hier beginnt „Der Heilige Krieg“ mit der Geschichtsklitterung: es war wohl kein Anonymus, der (wie im Film) die einschlägigen Verse des Koran und die Macht Allahs beschwor, um weltliche Macht zu gewinnen, sondern es war Mohammed selbst; bis zu seinem Tod im Jahre 632 brachten die Muslime nahezu die gesamte arabische Halbinsel unter ihre Kontrolle.
Ohne auf das wirkliche Verhältnis des Christentums und des Islam zur Gewaltfrage einzugehen lässt sich sagen, dass beide Weltreligionen ein Aspekt verbindet, der sie zugleich von allen anderen Religionen unterscheidet und uns als wahre und wichtigste Gemeinsamkeit erscheint: beide sind universalistisch veranlagt und trachten zumindest theoretisch danach, ihren Geltungsanspruch weltweit zu verbreiten. Im Christentum erscheint dieser Anspruch im „macht euch die Erde untertan“, aber vor allem „gehet hin und lehret alle Völker“. Die islamischen Schlüsselverse laut Koran:
Sura 9, Vers 29:Kämpft gegen diejenigen, die nicht an Allah und an den Jüngsten Tag glauben, und die das nicht für verboten erklären, was Allah und Sein Gesandter für verboten erklärt haben, und die nicht dem wahren Glauben folgen - von denen, die die Schrift erhalten haben, bis sie eigenhändig den Tribut in voller Unterwerfung entrichten.Sura 9, Vers 33:Er [Allah] ist es, Der Seinen Gesandten mit der Führung und der wahren Religion geschickt hat, auf daß Er sie über alle (anderen) Religionen siegen lasse; mag es den Götzendienern auch zuwider sein. (Übers. Rassoul)
Über Jahrhunderte hinweg bildeten diese und andere, inhaltlich höchst ähnliche Passagen das Fundament des Dhimma-Prinzips, der Herrschaft der Muslime über unterworfene Juden und Christen, die um den Preis dauerhafter Erniedrigung und einer besonderen Kopfsteuer zumindest vor weiteren Verfolgungen „geschützt“ waren. Je weniger diese rigiden Vorschriften befolgt wurden, die eine horizontale Teilung der Gesellschaft zementierten, um so „toleranter“ präsentierte sich die „islamische“ Kultur, etwa in Andalusien unter Herrschaft der Almoraviden bis zur Zeit der großen Judenpogrome und -Vertreibungen.
Im ZDF-Fünfteiler „Der Heilige Krieg“ fehlen solche Informationen freilich ganz. Sie stehen schließlich dem Ziel der Sendung entgegen, nämlich der Beweisführung, dass sowohl die christliche als auch die islamische Religion über Jahrhunderte quasi synchron „instrumentalisiert“ und „missbraucht“ worden seien – auch wenn sich weder in der Bibel, noch in der christlichen Praxis Konzepte finden lassen, die der Dhimma auch nur entfernt ähneln. Während also die kriegerisch-politische Komponente des Islam vertuscht wird, liegt besonderes Augenmerk auf nichtmuslimischer Gewalt und ihrer vermeintlichen Verbindung zum Christentum: in Spielszenen wird eine gerade Linie konstruiert von der Reliquienverehrung durch die Kämpfer vor Tours und Poitiers bis zur Unterwerfung und Christianisierung der Sachsen durch Karl den Großen.
In den letzten Minuten gibt die Sendung einen stichpunktartigen Ausblick auf die Episoden 2 bis 5 von „Der Heilige Krieg“ - was die Umkehrung bzw. Erfindung von Kausalketten zur Stützung der These im Sekundentakt nach sich zieht. So ist der islamische „Dschihad“ anders als behauptet keine Antwort auf die christlichen Kreuzzüge, sondern umgekehrt waren die Kreuzzüge eine ursprünglich räumlich und zeitlich genau begrenzte Reaktion auf den universellen islamischen Dschihad. Die Expansion des Osmanischen Reiches setzte auch nicht erst in der „Mitte des 15. Jahrhunderts“ (also mit dem Fall Konstantinopels) ein, sondern wenigstens zweihundert Jahre zuvor.
Als vorläufiges Fazit gilt hier, dass auch „Der Heilige Krieg“ kein gelungener Beitrag zur Vermittlung historischer Faktizität ist, sondern sich mit einseitiger Darstellung einmal mehr der Mittel des verlogenen „Dialogs“ der Kulturen bedient, in dem unangenehme Wahrheiten einfach ignoriert werden. Wer diese dennoch ausspricht, gilt als Nestbeschmutzer, wahrscheinlicher noch als Islamophob, schlimmstenfalls als „Rassist“.